Kathrin

Chemieingenieurwesen

Porträt Kathrin Reinhardt

Sie weiß, was Pasten können: Zahnpasta kennt jeder. Aber keramische Suspensionen? Fehlanzeige! Dabei sind die Hochleistungs-Pasten, die Chemieingenieurin und Werkstoffwissenschaftlerin Kathrin Reinhardt am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden erforscht, im 3D-Druck längst ebenso unverzichtbar wie in der Mikroelektronik. Kathrin ist übrigens zugleich Forscherin auf Vollzeit und Mutter – geht doch!

Sie forschen im Bereich Dickschichttechnik. Um was geht’s da?

Bei uns speziell um Pasten, die im Zentrum vieler Industrieprodukte stehen. Es gibt Pasten, die im 3D-Druck angewendet werden. Und andere, aus denen elektronische Schaltkreise bestehen. Auch die Streifen, die eine blaue Solarzelle durchziehen, waren mal eine Paste. Eine Silberpaste nämlich, die besonders dünn ausgedruckt werden muss, um die Abschattung und damit die Effizienz der Zelle zu steigern.

Was untersuchen Sie konkret an diesen keramischen Suspensionen?

Ihre Rheologie, das heißt ihr Fließverhalten. Ich prüfe, wie eine Paste aufs Substrat appliziert werden kann. Zäh wie Honig oder flüssig wie Sahne. Gebraucht wird mal das eine, mal das andere. Dank meiner Messungen kann ich abschätzen, wie sich eine Paste beim Drucken verhält. Und keramische Suspensionen herstellen, die wie maßgeschneidert zu den jeweiligen Drucksystemen passen. Denn Pasten sind veränderbar. Die Größe der Partikel und der Anteil an Feststoffen entscheiden über ihre Konsistenz.

Was hat Sie denn zu diesem speziellen Thema gebracht?

Ich kam schon während des Studiums zum Fraunhofer IKTS. Zunächst für ein Praktikum, dann als studentische Hilfskraft und nach meinem Diplom als technische Angestellte. Dort entwickelt die Arbeitsgruppe Dickschichttechnik schon seit Jahrzehnten funktionelle Sonderpasten und Tinten für verschiedene Druckverfahren. Und durch meine Arbeit ist nun die Wissenschaft in die Empirie gekommen. Parallel habe ich an der Technischen Universität Dresden im Fach Werkstoffwissenschaften promoviert, inzwischen bin ich „Doktoringenieurin“ und in Vollzeit beim Fraunhofer IKTS angestellt, als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Promovierte Forscher/innen stellt man sich ja immer ein bisschen vergeistigt vor...

(lacht) Ich bin ein ziemlich praktischer Mensch. Ich bastle gerne, restauriere Schränke, Stühle und Kommoden, baue Stehlampen und Standuhren selbst. Und sogar Couchtische. Das ist ein guter Ausgleich zur Arbeit. Obwohl: Ein bisschen frickeln kann ich auch bei Fraunhofer.

Erinnern Sie sich noch an die erste Paste in Ihrem Leben, für die sie sich begeistern konnten?

Nuss-Nougat-Creme! Vielleicht war die der eigentliche Anfang meiner Karriere. Vielmehr das Siegel des Herstellers, das sich darauf befand. Dass es Leute gab, die sich mit der Qualität der Nuss-Nougat-Creme befassten oder mit bedenklichen Stoffen in Spielzeug, das fand ich faszinierend.

War das auch der Grund für Ihr Chemie-Studium?

Ausschlaggebend war wohl auch meine Mutter, denn die arbeitet als Chemielaborantin. Ich glaube, entweder man liebt Chemie, oder man hasst Chemie. Bei mir ist es eindeutig Liebe.

Das klingt alles sehr geradlinig...

Stimmt nicht ganz, denn zunächst habe ich nicht an der Uni, sondern an der Hochschule für Technik und Wirtschaft studiert und mein Diplom zur Chemieingenieurin gemacht. Das war zwar eine nette, etwas verschulte Zeit, kostete mich aber später ziemlich viel Zähigkeit und Geduld. Denn um promovieren zu können, musste ich den ganzen Stoff nachholen, der an Unis gelehrt wird. Ein Mehraufwand, den ich mir hätte sparen können, wäre ich gleich zur Uni gegangen. Aber ich war zäh genug, das durchzuziehen.

Was raten Sie heutigen Abiturient/innen? Wie findet man sein passendes Studienfach?

Ich finde, man sollte etwas machen, was man wirklich mag. Wichtig ist aber natürlich auch, was in fünf Jahren gebraucht wird. Schnuppert in verschiedene MINT-Fächer rein. Und bewerbt euch auf Praktika, die möglichst lange dauern, davon haben Arbeitgeber und Praktikant/in mehr. Sprungbrett in den Job ist ohnehin oft die Diplom- oder Masterarbeit. Als Studienanfänger/innen könnt ihr euch also, was das betrifft, erst mal getrost zurücklehnen.

Sie machen viel Projektarbeit. Wie viele Projekte laufen da so parallel?

Zur Zeit sind es meistens fünf Projekte gleichzeitig. Größere und kleinere, solche von Universitäten und andere aus der Industrie. Besonders viel Spaß machen mir letztere, weil die sehr nah an der Realität sind und daran, was wirklich gebraucht wird. Hat man bei öffentlichen Projekten meist drei Jahre Zeit zu forschen, muss das Ergebnis bei einem Auftrag aus der Industrie oft schon nach wenigen Monaten stehen. Das erzeugt Druck. Und Druck, in kleinen Dosen, kann durchaus motivieren.

Was brauchen Sie für Ihren Job?

Weltoffen sollte man sein und netzwerken können. Auch Social Skills sind wichtig, für die Akquise. Aber keine Sorge, da wächst man rein.

Sie sind außerdem Beauftragte für Chancengleichheit. Was reizt sie daran?

Frauen sollten sich einfach mal trauen, in die Bereiche vorzudringen, die bisher von Männern dominiert werden. Dann merken sie vielleicht, dass das alles gar nicht so kompliziert ist. Ich hatte nie Probleme als Frau in einer Männerwelt. Als ich jünger war, wurde ich vielleicht manchmal unterschätzt. Aber das war alles. Meine Strategie bisher: Ich presche nicht mit Pauken und Trompeten vor, sondern versuche ein bisschen smarter zu sein.

Ist das auch Ihre Strategie in der Familie?

Wir leben zumindest Chancengleichheit. Nach der Geburt unseres Sohnes Georg war erst ich, dann mein Partner sieben Monate zu Hause. Inzwischen teilen wir uns Kindererziehung und Hausarbeit. Vollzeitstellen haben wir beide. Geht doch! Mein Sohn hat übrigens kürzlich ganz fasziniert seine Hand im Sonnenlicht hin und her bewegt. Hell. Dunkel. Hell. Dunkel. Er guckte und guckte. Wie ein richtiger Forscher.

Text: Monika Goetsch

Foto: privat

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